Die Bewältigung der riesigen Mengen von giftigem Elektroschrott gehört zu den grossen Herausforderungen unserer Zeit. Pro Person fallen in der Schweiz jährlich ca. 22 kg elektronischer Abfall an: Das waren 2016 rund 184’000 Tonnen, Tendenz in der Stückzahl steigend, auch wegen der Mobilgeräte. Als e-Waste-Verursachende rangieren die Schweizer_innen weltweit auf dem achten Platz.
Trotz vielversprechender technischer Lösungsansätze wird der grösste Teil des Elektronikschrotts weltweit derzeit nicht recycelt. Nur allzu oft wird versucht, das Problem durch Verlagerung in Länder mit niedrigen Umweltstandards zu „lösen“. Doch die Elektroschrott-Produktion beginnt effektiv bereits beim Rohstoffabbau und der Herstellung der Geräte.
Seit der Begriffsdefinition von Green Criminology durch Michael J. Lynch hat die Diskussion an Schärfe gewonnen: Aktivist_innen bezeichnen diejenigen, die die Erde durch die Produktion und Deponierung gefährlicher Geräte und Materialien verschmutzen und somit anderen die Lebensgrundlage entziehen, als kriminell. Ihre Verbrechen sollten verfolgt werden, und auch die Hersteller_innen müssten zur Verantwortung gezogen werden.
Im belgischen Schmwelzwerk Umicore werden verschiedene Arbeiten rund ums E-Waste-Recycling durchgeführt: Einerseits rezykliert Umicore Batterien und Akkus von Hybridautos etc., andererseits schmilzt sie Smartphones und anderen e-Waste ein. Bei den Smartphones wird nur das Edelmetall herausgeholt, der ganze Rest landet in der Schlacke. Seltene Erden werden derzeit nicht rezykliert.
Die durchschnittliche Rate von Goldrecycling liegt bei 15 - 50 %. Wenn man moderne Recycling-Verfahren anwendet wie in der Umicore, lässt sich das Recycling dagegen praktisch verlustfrei durchführen. 1 Handy enthält 20 - 25 mg Gold, abhängig von Modell und Baujahr; für dessen Gewinnung benötigt man 8.75 kg Gestein. Mit 40 - 50 Handys lässt sich 1 g Gold gewinnen.
Privatpersonen können ihre ausgedienten Elektrogeräte im Fachhandel oder an rund 600 Swico Abgabestellen kostenlos abgeben. Von dort gelangen die Geräte direkt zu einem Recyclingpartner und werden fachgerecht auseinandergenommen. Die Abgabestellen dürfen keine Geräte oder Teile davon herausgeben.
Über 500 Unternehmen aus Informatik, Unterhaltungselektronik, Büro, Telekommunikation, grafischer Industrie sowie Mess- und Medizinaltechnik haben die Swico Recycling Konvention bis heute unterzeichnet.
In Bezug auf die Rücknahme und das Recycling von elektrischen und elektronischen Geräten besteht im europäischen Raum eine Vielfalt an gesetzlichen Richtlinien. Im Januar 2015 hat die WEEE Europe AG die operative Tätigkeit aufgenommen, um Hersteller und Importeure zu unterstützen.
Nach der Gründung 2013 zusammen mit neun führenden Rücknahmesystemen – inklusive SENS und Swico Recycling – haben sich sechs weitere Länder und ein Service Partner der WEEE Europe AG angeschlossen.
Die offiziellen Swico Abgabestellen sind für das Funktionieren des Rücknahmesystems zentral: 58 Prozent der Gesamtmenge von Swico-Geräten werden über Abgabestellen zurückgenommen.
Swico Recycling arbeitet ausschliesslich mit qualifizierten Recyclingunternehmen für fachgerechtes Auseinandernehmen der Geräte zusammen. Die Immark in Regensdorf ist einer der vielen Recyclingpartner von Swico.
Zerlegebetriebe sind Betriebe, welche im Auftrag eines Recyclers vorgelagerte Verarbeitungsschritte vornehmen. Diese umfassen die manuelle Zerlegung der angelieferten E-Wastes sowie gegebenenfalls eine Verdichtung händisch aussortierter reiner Fraktionen. Die Zerlegung wird oft durch Mitarbeitende aus dem ergänzenden Arbeitsmarkt (Arbeitslosenprojekte, Behindertenheime etc.) ausgeführt. Zerlegebetriebe werden gemäss den Swico-Vorschriften alle zwei Jahre auditiert.
Zweitabnehmer sind Unternehmen, welche dem Recycler nachgelagerte Verarbeitungsschritte übernehmen, insbesondere die mechanische und chemische Trennung sowie das Einschmelzen von Fraktionen zur Rückgewinnung von Metallen. In der Regel handelt es sich um hochspezialisierte Unternehmen, die ihren Sitz mehrheitlich in Europa haben, wie die Umicore in Belgien.
Zweitabnehmer haben keine Vertragsbeziehung mit Swico. Recycler müssen gewährleisten, dass die Zweitabnehmer die Swico-Vorschriften einhalten. Die Zweitabnehmer werden periodisch auditiert.
Eine enge Zusammenarbeit mit der Empa, der Forschungs- und Dienstleistungsinstitution für Materialwissenschaften und Technologieentwicklung der ETH, soll gewährleisten, dass Swico hohe und einheitliche schweizerische Qualitätsstandards bei allen Entsorgungsdienstleistungen durchsetzen kann.
Die Immark AG in Regensdorf ist eine Recyclingfirma für elektronischen Abfall. Die Verarbeitung der Materialien, die über Swico-Sammelstellen oder direkt zu ihnen gelangen, sieht folgendermassen aus:
Es besteht die grundsätzliche Problematik, dass noch funktionierende Geräte von Gesetzes wegen nicht aussortiert werden dürfen und deshalb zusammen mit den anderen Materialien geschreddert werden.
Ausserdem wird bei den Materialtransformationen zuerst vermischt, danach werden die Wertstoffe wieder aus den Mischungen extrahiert.
Mobiltelefone sammelt die Immark nicht spezifisch, und es gelangen auch nicht viele Geräte zu ihr. Wenn eine Firma wie verkaufen.ch ihre kaputten Geräte schickt, sind sie oft bereits auseinandergenommen und werden zusammen mit Tablets oder Laptops geschickt, d.h. Handys sind bereits im allgemeinen e-Waste enthalten. Sind die Geräte nicht bereits auseinandergenommen, werden in der Immark Gehäuse sowie Akkus und Leiterplatten entfernt. Die eidgenössische Prüfanstalt Empa überprüft, dass diese Arbeiten auch tatsächlich durchgeführt werden.
Grundsätzlich gelangen heutzutage weniger schwere und grosse elektronische Geräte, jedoch höhere Stückzahlen in den Recyclingprozess. Ökonomisch hat sich die Situation kaum verändert, die Kleinteiligkeit der Geräte benötigt jedoch mehr Aufwand.
Das Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung trat 1989 in Kraft. Es ist ein Umweltabkommen, das den Export gefährlicher Abfälle reguliert.
Nach dem Basler Übereinkommen dürfen Abfälle wie e-Waste nur dann aus Ländern des «Globalen Nordens» in Länder des «Globalen Südens» verbracht werden und umgekehrt, wenn diese Parteistaaten des Abkommens sind. Damit gelten die Regeln des Übereinkommens, das heisst, es muss dort «Stand der Technik»- Recycling-Anlagen geben. Für die Verbringung der Abfälle ist die Zustimmung des importierenden und des exportierenden Landes sowie aller Transitländer notwendig. Diese Einwilligung und Abwicklung geschieht mit einem Notifizierungsverfahren.
Kurz gesagt, das Basler Übereinkommen verbietet den Export von e-Waste in Länder des «Globalen Südens».
Die Schweiz hat das Abkommen 1990 unterzeichnet. Gegen 170 Staaten sind Mitglieder, auch China.
Die USA, die gemäss Wikipedia 80 % ihres gefährlichen Abfalls ins Ausland abschieben, haben es nie ratifiziert; somit gelten für sie diese Regelungen nicht.
Betrachtet man die Abläufe von Smartphone-Recycling in Afrika, sind nicht alle Prozesse und Wege detailliert verfolgbar, wie der weitere Weg nach deren Zerlegung. Beispielsweise in Nairobi gibt es einen modernen Zerlegebetrieb. Von dort aus gehen die besser erhaltenen Komponenten nach Europa, die schlechter erhaltenen nach China.
Die Organisation UNIDO baut weltweit Einrichtungen auf, die e-Waste vor Ort rezyklieren, und sich längerfristig v.a. auch dem Recycling problematischer Stoffe, wie Seltene Erden, widmen wollen. Beispielsweise in Uganda existiert ein e-Waste Center, eine sogenannte ‚dismantling facility’ (Zerlegebetrieb), wo die Schrottmengen effizienter und umweltgerechter entsorgt werden können. E-Waste Projekte sind interessant für Investoren, da sie wegen des immer grösser werdenden Elektronikmarktes in Afrika sehr lukrativ zu werden versprechen. Denn circa 90 % der importierten Elektronik-Geräte sind nicht brauchbar, sind von Beginn an e-Waste; für den Import werden oft auch Umdeklarationen seitens der Verkäufer vorgenommen, um so die Basler Konvention zu umgehen.
Im Zerlegebetrieb in Kampala werden die Geräte vor allem von Hand, teilweise auch mechanisch auseinandergenommen. Metalle, die nicht gefährlich sind, werden vor Ort in eigenen Giessereien weiterverarbeitet. Die Weiterverarbeitung der giftigen Stoffe ist jedoch noch nicht geregelt, da die Basler Konvention die Ausfuhr von e-Waste in Länder verbietet, die nicht Parteistaaten des Abkommens sind und keine modernen Aufbereitungsanlagen besitzen. Zur Zeit gibt es keine solchen in Afrika. Hochgiftige Stoffe wie Cadmium etc. werden unreguliert exportiert, insbesondere nach Nigeria, wo sie unter schlechtesten Bedingungen weiterverarbeitet werden.
Der Computerexperte Anthony Bankole, «Tony Schrott», führt durch den Owode Onirin Market in Lagos: Elektroschrott, von Motoren bis zu Mobiltelefonen, wird von jungen Männern in seine Bestandteile zerlegt und von Leuten wie ihm an chinesische Händler verkauft. «Schrott wird mehr und mehr zu einer Ware, mit der sich gute Geschäfte machen lassen.» Grosse Firmen aus Grossbritannien und China stellen Sammler an, die die herausgeholten Metalle in Lagos aufkaufen und grösstenteils zurück nach China bringen.
Das Material stammt aus dem vierteiligen Dokumentarfilm Chinafrika.mobile von Daniel Kötter, der sich im Rahmen des Kunst- und Ausstellungsprojekts Chinafrika.under construction mit denselben Smartphone-Aspekten beschäftigte wie das Team von Times of Waste: Rohstoffabbau, Produktion, Reuse, Recycling. Das Bildmaterial entstand vor Ort in Kolwezi, Shenzhen, Guangzhou und Lagos in Zusammenarbeit mit lokalen Protagonist_innen.